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Der ungleiche Tausch – das Prinzip der Ausbeutung

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Aus irgendwelchen Gründen finden sich Menschen, welche in Vollzeit arbeiten, dennoch am Rand der Gesellschaft wieder. Warum ist das so?

Je geringer das individuelle Einkommen ist, desto weniger Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe bestehen oder, was dasselbe ist, der Anteil an dem Produkt der gesellschaftlichen Arbeit ist nur gering. Das bringt für die Betroffenen allerhand Probleme mit sich. Am Dasein der Niedriglöhner soll die Thematik beispielhaft hier erläutert werden. So hat hierzulande ungefähr jeder vierte abhängig Beschäftigte unter 14 Euro die Stunde [1].

Der durchschnittliche Mindestlohn bei 40 Wochenarbeitsstunden beläuft sich auf rund 1.400 Euro [2]. Diese Genauigkeit soll uns zur Beispielrechnung genügen. Der durchschnittliche Monat hat 4,3 Wochen (52 Wochen / 12 Monate) und wir erhalten somit einen Wochennettolohn von rund 325,60 Euro (1.400 Euro / 4,3 Wochen). Bei 40 Stunden Arbeitszeit die Woche haben wir somit einen Nettolohn pro Stunde von 8,14 Euro. Wir runden zur Vereinfachung unseres Beispieldarstellung auf 8 Euro die Stunde Nettolohn ab, welchen ein Mindeslohnempfänger für seinen Konsum zur Verfügung hat.

1. Beispiel:

Ein Mindestlöhner will für seinen Nachkommen einen gewöhnlichen Kinderhaarschnitt bei einem Friseur kaufen. Dort wird der Annahme nach ebenfalls ein Mindestlöhner beschäftigt. Der Haarschnitt kostet 15 Euro und dauert ca. 15 Minuten. Also 60 Euro pro Stunde kostet der Friseur unseren kaufenden Mindestlöhner. Wir sehen sofort das Dilemma. Unser Mindestlöhner muss die 7,5 fache [3] Zeit arbeiten (60 Euro die Stunde für den Friseur / 8 Euro die Stunde eigenes Einkommen), um eine Leistung eines anderen Mindestlöhners für seinen privaten Konsum zu beanspruchen.

2. Beispiel:

Lassen wir eine Mindestlöhnerin Putzkraft sein. Tatsächlich wird diese Art der Arbeit vorrangig von Frauen erledigt. Auch unsere Putzkraft erhält 8 Euro die Stunde für ihren eigenen Konsum. Sie wird von einem Kapitalisten beschäftigt, der ihre Arbeitskraft zu ihrem Wert verkauft. Wir nennen diesen hier Putzkapitalisten. Dieser Wert enthält fast kein konstantes Kapital, da sogar die Putzmittel vomAuftraggeber gestellt werden. Wir vernachlässigen hier also jedes konstante Kapital, so daß sich der Wert aus dem variablen Kapital für den Lohn der Putzkraft und dem Mehrwert, also der unbezahlten Arbeitszeit der Putzkraft, zusammensetzt. Aus der Praxis ist mir solch ein Beispiel bekannt und daher weiß ich, daß der Putzkapitalist 40 Euro die Stunde von seinen Auftraggebern verlangt. Die Putzfrau arbeitet also ein Stunde für ihren persönlichen Konsum und weitere vier Stunden kostenlos für den Mehrwert des Putzkapitalisten. Dieser Mehrwert setzt sich aus dem Profit des beschäftigenden Kapitalisten, den Abgaben auf Staatskommando hin (Versicherungen, Steuern etc.) usw. zusammen. Unser erstes Resümee ist also, dass die Putzkraft nur arbeiten darf, wenn sie für eine Stunde Arbeit für ihren Konsum weitere vier Stunden kostenlose Arbeit für den Bestand der kapitalistischen Gesellschaft und für den Putzkapitalisten aufzuwenden bereit ist. Wobei hier von Freiwilligkeit nur der juristischen Form nach die Rede sein kann. Ihrer ökonomischen Wirklichkeit nach, hat sie gar keine andere Wahl, als sich diesem Diktat zu beugen.

Doch setzen wir unser Beispiel fort. Der Kapitalist verkauft nun die Arbeitskraft unserer Putzfrau an einen Anwalt. Dieser erhält für sein nutzloses Dasein 100 Euro die Stunde, was ihm der Staat zubilligt, also ganz und gar nicht als Resultat des Wertgesetzes des Kapitals entsprungen ist. Der Anwalt zahlt nun für die Putzfrau 40 Euro die Stunde an deren beschäftigenden Kapitalisten. Wir setzen beim Anwalt eine saubere Umgebung als Notwendigkeit voraus. Es folgt, daß die Arbeit unserer Putzfrau notwendig ist, wenn der Anwalt in derselben Zeit, wo die Putzfrau tätig ist, sein Geschäft für 100 Euro die Stunde erledigen kann, da ihm die Notwendigkeit der Reinigung gesellschaftlich durch die Arbeit der Putzkraft abgenommen ist. Der Anwalt hat aus seiner eigenen Tätigkeit noch immer 60 Euro für seine Belange übrig, während er für die ihm ersparte Reinigung 40 Euro seines Verdienstes vom Putzkapitalisten für die Arbeit der Putzkraft, welche mit 8 Euro bezahlt wird, berechnet wird. Das zweite Resümee ist also, daß sowohl der Anwalt und der Kapitalist ein gemeinsames Interesse daran haben müssen, daß die Arbeit der Putzkraft nicht nur erledigt werde, sondern vor allem billig sein möge.

Wir wollen nun unser Beispiel noch um eine Fachangestellte erweitern, welche ein Gehalt bezieht zum gesellschaftlichen Wert der Arbeit. Dafür nehmen wir die 40 Euro, welche der Putzkapitalist vom Anwalt für die Reinigung durch fremde Arbeit verlangt, an. Die Arbeit der Angestellten kann auch erst dann erfolgen, wenn die Notwendigkeit der Reinigung der Umgebung erledigt ist. Der Anwalt nimmt nun in derselben Stunde für seine Tätigkeit einmal 100 Euro für sein eigenes Tun ein, was wegen der Putzkraft, die gleichzeitig die nötige Reinigung erledigt, erfolgen kann. Weiter kassiert er 100 Euro für seine Angestellte, die für 40 Euro die Stunde ebenfalls Anwaltshilfstätigkeiten erledigt. Letztlich kann aber die Angestellte in der schon erwähnten selben Stunde auch nur deswegen tätig werden, da die Putzkraft die Notwendigkeit der Reinigung übernimmt. Das dritte Resümee ist also, daß der Anwalt aus der Arbeit der Putzkraft 120 Euro in seine Tasche stecken kann (100 Euro für seine Arbeit abzüglich 40 Euro für den Putzkapitalisten und 100 Euro für die Arbeit seiner Angestellten abzüglich deren Gehalt von 40 Euro - ergibt 2 mal 60 Euro). Doch dieses vereinfachte Konstrukt zeigt nicht nur die Notwendigkeit der Basisarbeit von Mindestlöhnern, sondern vielmehr auch, daß unsere Putzkraft in der kapitalistischen Gesellschaft, gegenüber jenen, welche alle von ihrer Arbeit profitieren, in der Minderheit, ja geradezu marginalisiert, ist. Niemand sieht die Arbeit der Putzkraft, obwohl alle sie benötigen. Und so ist sich die kapitalistischen Mehrheitsgesellschaft, wenn auch in weiten Teilen unbewußt, darin einig, daß es ein Heer von Billigarbeitern geben muß, um den eigenen Konsum, ohne einen entsprechenden Beitrag zum Produkt der gesellschaftlichen Arbeit zu leisten, abzusichern.

Der ungleiche Tausch

Denn wenn eine Ware mit einer Ware ausgetauscht wird, werden gleiche Mengen ausgetauscht. Wird gegen Arbeit selbst ausgetauscht, werden ungleiche Mengen Arbeit ausgetauscht, und die kapitalistische Produktion beruht auf der Ungleichheit dieses Austausches.“ [4] Diese Erkenntnis des Karl Marx faßt trefflich zusammen, was wir eben in unseren Beispielen gesehen haben.

Fazit

Mindestlöhner bzw. alle Einkommen unter dem Marktwert der Arbeit, wie sie zwischen den Kapitalisten oder den Kapitalisten und wohlhabenden Konsumenten ausgetauscht wird, werden durch den ungleichen Tausch immer mehr Arbeit (oder Mehrarbeit) abzuliefern haben, als sie für ihren eigenen Konsum zurückerhalten. Dieses Prinzip beutet sie systemisch um ihre Lebenszeit aus und läßt sie die Ausbeutung wegen der Komplexität des Ausbeutungsmechanismus des Kapitals nicht erkennen. Sie sind ihrem Schicksal deswegen ausgeliefert, weil sie ihre eigene Ausbeutung gar nicht identifizieren können. Hinzukommt, daß Menschen im Mindestlohn nicht gewerkschaftlich organisiert sind oder werden. Doch gewiß ist, daß die Niedriglöhner notwendiger Bestandteil einer unproduktiv konsumierenden Gesellschaft sind und dadurch die gesellschaftliche Ausgrenzung der produktiven Arbeiter geduldet, wenn nicht gar, zumindest latent, verlangt wird.

Von Mondo Cane

 

[1] Die bürgerliche Presse berichtet darüber im Juli 2023, z.B. „Die Zeit“ (https://www.zeit.de/arbeit/2023-07/einkommen-14-euro-lohnniveau-linke-mindestlohn)

[2] Der Wert differiert je nach Bundesland. Das Handelsblatt gibt diesen für NRW mit 1.375 Euro an. (https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/mindestlohn-2024-wie-sich-der-mindestlohn-in-deutschland-2024-entwickelt/25604664.html)

[3] Der höhere Wert (7,5 fache des Nettolohns) zum 2. Beispiel (5 fache des Nettolohns) erklärt sich daraus, dass im 1. Beispiel noch konstantes Kapital für Mieten der Immobilie des Friseursalons, dessen Ausstattung usw. eingerechnet werden muß.

[4] MEW, Band 26.3, S. 170 (Fußzeile)

 

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