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Die »inneren Werte«

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von Rainer Rupp

In der Ostukraine gibt es einen gigantischen Industriekomplex mit Kohleförderung, Metallurgie und Chemie

Die USA und die mit ihnen verbündeten Kräfte in Europa stellen die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Selbstverteidigungskräften in der Ostukraine und den von Kiew entsandten neofaschistischen »Bestrafungsbataillonen« als Angriff Russlands gegen die Ukraine, ja sogar als »russische Invasion« dar, um sich in bester imperialistischer Manier die Bodenschätze und den gigantischen Industriekomplex in der Ostukraine unter den Nagel zu reißen. Es verwundert nicht, dass die US-Amerikaner diese Lügen wider besseres Wissen verbreiten. Denn für die Verwirklichung ihrer »vitalen« geostrategischen Interessen im eurasischen Raum stellt die Ukraine ein bedeutendes Instrument dar.

Zum einen war die von Washington provozierte politische Krise in der Ukraine ein wirksames Mittel, um die bereits erkennbare Verbindung von Technologie und Kapital Westeuropas mit russischen Ressourcen und Märkten zu stoppen. Zum anderen gelang es Washington in diesem Zusammenhang, der NATO wieder neues Leben einzuhauchen. Das transatlantische Bündnis war im zurückliegenden Jahrzehnt für die USA zunehmend dysfunktional geworden. Nun aber haben die NATO und ihre Führungsmacht angesichts der »russischen Bedrohung« in allen europäischen Angelegenheiten wieder neues Gewicht gewonnen. Und drittens ermöglicht eine ungelöste Dauerkrise in der Ukraine den USA, auf Wohlverhalten des Kremls in anderen Weltregionen zu dringen, damit die eigenen Pläne nicht tangiert werden. Nicht umsonst spricht man in Washington von einer »Retourkutsche für Syrien«, weil Moskau den bereits beschlossenen Bombenkrieg gegen das Land bisher verhindert und Präsident Barack Obama auf der Weltbühne an Geltung eingebüßt hat. Angesichts dieser drei vorrangigen strategischen Ziele Washingtons ist klar, dass die USA überhaupt kein Interesse an einer Lösung des Konflikts in der Ostukraine haben können. Diese Schlussfolgerung wird durch die systematische Torpedierung aller europäischen und russischen Initiativen zu einer diplomatischen Lösung der Krise bestätigt. Statt zur Entspannung spornt die Obama-Regierung die extremsten Kräfte in der Ukraine zur militärischen Eskalation an.

Vor diesem Hintergrund kann nicht überraschen, dass Washington im Verein mit den europäischen Transatlantikern in Politik und Medien die Entwicklungen in der Ukraine bewusst falsch darstellt und Russland als imperialen Aggressor präsentiert. Erschreckend ist jedoch, dass diese Meinung hierzulande auch von angeblich »Linken« vertreten wird, die Moskau beschuldigen, die Krise in der Ostukraine angezettelt zu haben, um sich die Bodenschätze und die Industriekomplexe der Region anzueignen. So bezeichnete unlängst der Außenpolitiker der Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, Stefan Liebich, in Die Zeit »Russland als Kriegstreiber« (Zeit online, 1.12.2014).

Liebich ist Mitglied des NATO-nahen Netzwerks »Atlantik-Brücke«. Angesichts seines ausgeprägten Wunsches, endlich mit seiner Partei als »regierungsfähig« und Koalitionspartner anerkannt zu werden und somit »anzukommen«, verwundert seine Position zu Russland nicht. Aber Liebichs Sicht der Dinge ist inzwischen so oder so ähnlich unter weiteren Linken verbreitet. Auffassungen, die von den seinen nicht mehr weit entfernt sind, finden sich auch in der DKP. Das erfuhr der Autor dieser Zeilen anlässlich zweier Vorträge über die Lage in der Ukraine vor Landesverbänden der Partei Ende des vergangenen Jahres. Er war überrascht, dass die kommunistischen Genossen in der anschließenden Diskussion die öffentlichen Äußerungen des Linksparteipolitikers und die Haltung der US-Regeriung unterstützten, was die Einschätzung zu Russland betraf. Demnach streiten sich derzeit der westliche und der östliche Imperialismus um die angeblich fette Beute in der Ostukraine. Diese Begegnungen haben den Autor veranlasst, der Frage nachzugehen, ob der natürliche und industrielle Reichtum der Ostukraine tatsächlich groß genug ist, um bei den russischen (Staats-)Monopolen derart starke Begehrlichkeiten zu wecken, dass Moskau bereit gewesen wäre, die guten Beziehungen zu Westeuropa aufs Spiel zu setzen?

Nachfolgend soll daher ein Überblick über die »inneren Werte« der Ostukraine gegeben werden, also über Umfang und Abbaufähigkeit der angeblich riesigen Bodenschätze und über den Zustand des gigantischen Industriekomplexes der Ostukraine. Hierbei waren die mit Zahlen und Fakten gespickten Arbeiten des russischen Geologen und Ukraine-Spezialisten Wadim Solotarjew dem Autor eine große Hilfe.

 

Industrieregion »Neurussland«

Zu Zeiten der Sowjetunion war der Osten der Ukraine einer der wichtigsten Standorte der metallurgischen Industrie. Das Eisenerzbecken Kriworoschski in der Nähe von Kursk ist das zweitgrößte der Welt. Das Donezker Steinkohlerevier, das für die Erzverhüttung wichtig war, liegt nur 300 bis 400 Kilometer von diesem Erzfeld entfernt. Es gibt keinen anderen Ort der Welt, an dem Eisen und Kohle in solchen Mengen so dicht beieinander gefunden wurden. Eine große Lagerstätte von Manganerz, das für das Siemens-Martin-Verfahren bei der Stahlproduktion benötigt wird, ist ebenfalls ganz in der Nähe bei Nikopol. Zusätzlich wurden auch die Erzlagerstätten von Krementschuk, Belosersk und Kertsch ausgebeutet, alle Orte befinden sich in der Ostukraine.

Auf der Basis dieser Rohstoffe entwickelte sich in der ukrainischen Republik als Teil der UdSSR einerseits eine metallverarbeitende Industrie, die Ausrüstungsgüter für Fabriken und Bergwerke sowie für Schienenverkehr, Hochseeschiffe und Landmaschinen produzierte. Andererseits wurden die Nebenprodukte der Eisengewinnung und der Verkokung zur Herstellung von Säuren, Kunststoffen, mineralischen Düngemitteln usw. verwendet, weshalb – ebenfalls im Südosten der Ukraine und in der Nähe der Rohstoffquellen – riesige Komplexe der chemischen Industrie entstanden.

Diese Industrieregion heißt seit Jahrhunderten Noworossija (Neurussland) und sie umfasst die folgenden Gebiete: Dnipropetrowsk, Saporischscha, Donezk, Lugansk, Charkiw, Odessa, Mikolaiw, Cherson. Dabei ist ein wichtiger soziologischer Punkt hervorzuheben: »Neurussland« stellt zwar einen einheitlichen Industriekomplex dar, ist aber nicht unbedingt der Ort mit der höchsten Dichte der russischsprachigen Bevölkerung, was für den aktuellen bewaffneten Konflikt und seine mögliche Ausweitung von großer Bedeutung ist. Zugleich ist das Territorium des politischen Projekts »Neurussland«, also das der international nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk sowie der restlichen von den Selbstverteidigungskräften befreiten ostukrainischen Gebiete, nur ein Teil der geographischen Region »Neurussland«, zu der auch die von der Junta in Kiew kontrollierten Gebiete Odessa und Charkiw gehören.

Schon zu Zeiten der UdSSR hatten sowjetische Geologen und Wirtschaftswissenschaftler die Probleme des Donezker Reviers erkannt. Es war zwar das bei weitem bekannteste Kohleabbaugebiet des Riesenlandes, aber im Vergleich zu anderen sowjetischen Lagerstätten war es relativ klein: Es liegt weit abgeschlagen an siebter Stelle. Außerdem ist die Förderung dort aufgrund seiner Struktur äußerst schwierig. Bildlich gesprochen stellt es einen großen Korb dar, dessen »Deckel« etwa 70.000 Quadratkilometer groß ist und knapp acht Kilometer tief ist. Dieser »Korb« ist mit Sedimentgestein und Lagen von Kohle gefüllt. Aber diese Schichten verlaufen nicht horizontal, sondern sie sind gefaltet, »gestört« wie Geologen sagen, also verzerrt und verschoben. Insgesamt 300 Kohleflöze wurden gefunden. Etwa 50 davon haben eine Dicke von 50 Zentimeter bis zwei Meter und eignen sich gut für den Bergbau. Allerdings werden im Donbass inzwischen auch Flöze von nur noch 20 Zentimetern Dicke unter Tage abgebaut. Zum Vergleich: Im Kusnezker Revier sind die Flöze 20 Meter dick. Sie verlaufen horizontal und liegen nur ganz knapp unter der Erdoberfläche.

Im Donbass sind dagegen alle so günstig gelegenen und abbauwürdigen Kohleflöze nahe unter der Oberfläche bereits abgebaut. Jetzt ist es notwendig, in Tiefen von 1.000 bis 1.200 Metern Tiefe vorzudringen. Da ab 500 Metern Tiefe die Gefahr von Grubenexplosionen durch plötzliche Gasaustritte stark zunimmt, sind aufwendige Sicherungsmaßnahmen erforderlich, die seit dem Ende der Sowjetunion von den nun ausbeutenden Oligarchen aus Kostengründen nicht veranlasst wurden. Daher die vielen Grubenunglücke.

 

Kohleförderung rückläufig

Selbst zu Sowjetzeiten, als die Förderbedingungen im Donbass noch weitaus günstiger waren, brachte ein im Kusbass investierter Rubel dreimal so viel Ertrag wie im Donbass. Daher sind die Investitionen in neue Grubentechnologien bereits seit Mitte der 1980er Jahre zurückgegangen, parallel zum Einzug marktwirtschaftlicher Elemente in die Ökonomie der UdSSR. Das drückte sich in einem sofortigen Rückgang der Kohleförderung im Donbass aus: Waren es 1980 noch 223 Millionen Tonnen und 1985 200 Millionen, so wurden 1991 nurmehr 165 Millionen und im Jahr 2000 lediglich 75 Millionen Tonnen gefördert.

Diese Zahlen zeigen, dass mit Beginn der Perestroika durch die ausbleibenden technologischen Innovationen die jährliche Kohleförderung im Donbass rapide zurückgegangen ist. Da Kapital nicht in unrentable Unternehmen fließt, schloss im Donbass eine Mine nach der anderen. Und in denen, die weiterbetrieben wurden, ereigneten sich immer häufiger Grubenunglücke, bei denen zahlreiche Menschen ums Leben kamen.
Die Qualität der Kohle aus dem Donbass ist indes sehr hoch, feinster Anthrazit, ideal für die Metallurgie. Aus diesem Grund bestanden früher sowjetische Ökonomen darauf, dass diese hochwertige und teure Kohle auf effektivste Weise verwendet wurde, d. h. ausschließlich für die Metallherstellung. Nur Kohle mit niederer Qualität, die als Nebenprodukt der Anthrazitgewinnung gefördert wurde, durfte zu Heizzwecken verwendet werden.

Die Energieversorgung der Ukraine erfolgte zu sowjetischen Zeiten durch russisches Öl und Gas oder Fernleitungsstrom, für dessen Erzeugung Kohle geringer Qualität aus Ekibastus und Kansk-Atschinsk verwendet wurde. Letzteres sind Braunkohleregionen, wo die Kosten für die Gewinnung von Energie zehnmal niedriger liegen als im Donbass. Zugleich wurde die Nutzung der Atomenergie vorangetrieben.

Allerdings reichten bereits ein paar Minen im Donbass, um die vom ukrainischen Metallurgiesektor benötigte Menge an Anthrazit zu fördern, wofür nur ein Hundertstel aller Donbass-Bergarbeiter benötigt wurde. Dennoch blieben die Donbass-Minen während der Sowjetunion voll funktionsfähig, da die Arbeitsplätze der Bergleute vom Staat subventioniert wurden. Denn mit Sicherheit hätten eine schnelle Schließung der Gruben, massenhafte Umzüge einer sehr großen Zahl von Menschen und das Absterben der Bergarbeiterdörfer eine Lawine von Protesten ausgelöst. Ein Profitinteresse gab es hier nicht. Die Umstellungsprozesse in der gesamten Bergbauregion wurden durch Ansiedlung neuer Betriebe des Anlagen- und Maschinenbaus sozial abgefedert, Umschulungsmaßnahmen zur beruflichen Neuausrichtung eingeleitet. Aber dann folgte die Auflösung der Sowjetunion.

 

EU bedeutete Armut

Wie Russland wurde auch die Ukraine nach ihrer Unabhängigkeit von einer kleinen Gruppe skrupelloser Politiker und Oligarchen ausgeplündert. Am Bau neuer Fabriken und an der Schaffung von Arbeitsplätzen hatten diese Leute kein Interesse. Es ging um den kurzfristigen Profit. Dafür taugten neue Investitionen nicht. Vielmehr wurden bestehende Betriebe heruntergewirtschaftet. Überall in der Ukraine gingen Unternehmen in Konkurs. Das galt auch für die Gruben im Donbass. Zuletzt war die teure Kohle dort nur noch für die Energiegewinnung verbrannt worden, wodurch viele Gruben unrentabel und geschlossen wurden.

In jüngster Zeit jedoch hat Kiew dank überzeugender Belehrung aus Washington dieses unrentable Revier als Zukunftsregion für die Förderung von Schiefergas mit der Frackingmethode entdeckt. Theoretisch ist es durchaus möglich, dass in den dortigen Gesteinsschichten in gewissem Umfang auch Gas eingeschlossen ist. Zuverlässige Schätzungen über die Menge gibt es nicht. Die bisher in die Welt gesetzten Zahlen müssen mit Blick auf die hochbrisante politische und militärische Lage im Donbass mit Vorsicht genossen werden. Außerdem dürften die starken geologischen Verwerfungen und Brüche bei der Förderung Probleme aufwerfen und die Kosten in die Höhe treiben.

Obwohl die derzeit niedrigen Energiepreise auf dem Weltmarkt manche Gewinnrechnungen auf den Kopf gestellt haben, könnte sich langfristig die Förderung von Schiefergas im beschränkten Umfang lohnen. Für die Bürger des Donbass wäre dies jedoch eine Tragödie, weniger wegen der möglichen ökologischen Probleme als wegen der hohen Wahrscheinlichkeit, dass die noch Kohle fördernden Oligarchen die Gruben schließen und auf den Fracking-Zug aufspringen. Da die Schiefergasausbeutung vergleichsweise wenige Arbeitskräfte braucht, würde der größte Teil der Bevölkerung im Donbass endgültig keine Existenzgrundlage mehr haben. Es ist die am dichtesten besiedelte Region der Ukraine, und die meisten Bewohner dort sind mit dem Kohlebergbau verbunden.

Nach der ukrainischen Unabhängigkeit 1991 blieb »Neurussland« auf mannigfaltige Weise direkt mit Russland verbunden, denn die ukrainische Industrie entstand in der Sowjetunion, und ihre Produkte entsprechen noch heute den Normen und Standards der Industrie der ehemaligen anderen sozialistischen Republiken, d. h. Russlands, Kasachstans, Belarus. Diese Länder sind folglich auch heute noch die Hauptabnehmer der ukrainischen Erzeugnisse, obwohl die Anlagen Neurusslands in vielerlei Hinsicht veraltet sind. Dagegen sind die dort hergestellten Produkte für den westeuropäischen oder US-amerikanischen Markt gänzlich ungeeignet. Jeder kennt z. B. die Unterschiede in der Spurbreite der Gleisanlagen oder auch nur bei den Steckdosen in verschiedenen europäischen Ländern. Bei Industrieanlagen gibt es Tausende solcher Unterschiede zwischen den östlichen und den westlichen Normen und Standards.

Die westlichen Pläne für die Ukraine, etwa eine Assoziation mit oder gar eine Mitgliedschaft in der EU würden die Fabriken des Landes und infolgedessen auch die dort Beschäftigten überflüssig machen. Die gut ausgebildeten Arbeitskräfte der Ostukraine würden von westlichen Konzernen höchstens noch in geringer Zahl benutzt. Beispiele dafür gibt es in den vom westlichen Kapital übernommenen und inzwischen bettelarmen Industrieregionen der östlichen EU-Staaten zuhauf. Diese Perspektive haben die Menschen in Neurussland für den Fall einer EU-Mitgliedschaft deutlich vor Augen, egal ob sie russisch oder ukrainisch sprechen. Und das dürfte auch der Hauptgrund für den verbissenen Widerstand in Teilen dieser Region gegen die neuen Machthaber in Kiew sein.

Die Industrieregion Noworossija ist organisch gewachsen. Für den Abbau des reinen Anthrazits des Donbass gibt es nur im Verbund mit der Eisenerzförderung, der Stahlherstellung und den Metallurgiekonzernen eine Chance. Die Erzminen und die großen Metallurgiekomplexe sowie der Maschinen- und Anlagenbau, die Rohrwalzanlagen und Schiffswerften liegen jedoch im Süden der Ostukraine, der vom Kiewer Militär kontrolliert wird. Aber auch diese Unternehmen hätten ohne den Anthrazit vom Donbass und die Stahlproduktion Schwierigkeiten zu überleben. Zugleich würde die Verwirklichung der von Kiew geplanten Westintegration die Abschottung der Südostukraine vom russischen Markt und damit ihren sicheren Untergang bedeuten.

 

Russland: Keine Aufteilung der Region

Nach der ukrainischen Unabhängigkeit 1991 blieb »Neurussland« auf mannigfaltige Weise direkt mit Russland verbunden, denn die ukrainische Industrie entstand in der Sowjetunion, und ihre Produkte entsprechen noch heute den Normen und Standards der Industrie der ehemaligen anderen sozialistischen Republiken, d. h. Russlands, Kasachstans, Belarusslands. Diese Länder sind folglich auch heute noch die Hauptabnehmer der ukrainischen Erzeugnisse, obwohl die Anlagen

Im Unterschied zu Kiew, Washington und Brüssel liegt Moskau viel daran, den Industriekomplex Noworossija – auch wenn er veraltet ist – als Ganzes zu erhalten. Nicht nur, weil er seit Jahrzehnten eng mit der russischen Industrie zusammengearbeitet hat, sondern auch, weil Russland an sozialen Unruhen an seinen Grenzen und entsprechenden Flüchtlingsströmen nicht interessiert sein kann. Dagegen gibt es in der Ostukraine keine Bodenschätze, die Russland auf seinem eigenen Territorium nicht weitaus kostengünstiger abbauen könnte.

Im Süden der Ostukraine, der ebenfalls zum geographischen Noworossija gehört, stellt die russisch sprechende Bevölkerung im Gegensatz zum Donbass nur in wenigen Gebieten die Mehrheit. So konnten sich z. B. in Odessa und Mariupol die neurussischen Selbstverteidigungskräfte gegen Kiew nicht halten. Die Regionen fielen wieder in die Hände der regulären ukrainischen Armee. Viele Menschen dort können sich zwischen Kiew und den neurussischen Volksrepubliken weiterhin nicht entscheiden. Zwar lassen sie sich nur ungern von den neofaschistischen Bataillonen Kiews kontrollieren, aber eine russische oder neurussische Eroberung und Besatzung würden sie noch weniger hinnehmen. Deshalb hat Moskau Hitzköpfen in den Volksrepubliken wiederholt und in aller Schärfe deutlich gemacht, dass alle Pläne zur Rückeroberung des Südostens fallenzulassen seien, weil das die Region nur noch weiter destabilisieren würde.

Zugleich verurteilt Moskau auch alle Bestrebungen der neurussischen Volksrepubliken, sich von der Ukraine unabhängig zu erklären. Denn dadurch würde der Industriekomplex von Noworossja aufgespalten und kein Teil wäre für sich allein überlebensfähig. Mehr Autonomie für die mehrheitlich russisch sprechende Bevölkerung der Volksrepubliken unter dem Dach der ukrainischen Republik, in der der Industriekomplex Noworossija weiterhin eng mit Russland zusammenarbeitet, das ist die von Moskau angestrebte Lösung.

Die Junta in Kiew sieht dagegen in der russischsprachigen Ostukraine ein permanentes Unruhepotential, das ihre Pläne zur Westeinbindung empfindlich stören könnte. Und da weder die USA noch die Europäer an der Übernahme der ukrainischen Industrie interessiert sind, sondern höchstens am Gasfracking in den ehemaligen Kohlerevieren und möglicherweise an der Ausbeutung einiger Erzminen, ergibt sich eine Übereinstimmung westlicher Konzerninteressen mit den starken neofaschistischen Elementen unter den neuen Machthabern in Kiew. Letztere haben sich daher schon früh in der Krise für die Option der »ethnischen Säuberung« des Donbass entschieden. Durch willkürliche Angriffe auf Zivilisten in Dörfern und Städten, durch Mord, Terror und Folter soll die Masse der Bevölkerung zur Flucht nach Russland gedrängt werden. Als Instrumente dafür werden die neofaschistischen Bataillone wie »Asow« eingesetzt, die im Westen von »Freiheitskämpfern« als Freiwilligenverbände verharmlost werden.

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